Tag 15: 24.06.24

Manchmal ist der Hopsalauf die einzig mögliche Form der Fortbewegung. So fühle ich mich gerade. Seit ich an meinem Schlafplatz angekommen bin, sprühe ich ein wenig vor Freude und Glück.

Jetzt gehe ich in dieser Heidelandschaft spazieren. Das dänische Wort dafür kann ich leider nicht aussprechen, aber diese gefällt mir sehr gut. Die Frau, die mir am frühen Abend meine Flaschen aufgefüllt hat (und noch eine Limo geschenkt) hat mir geraten, diese Heide als Schlafplatz aufzusuchen.

Ich habe kurz gebraucht, mich von dem Gedanken zu verabschieden, noch weitere 40 km zu fahren. Aber dann hab ich mich daran erinnert warum ich das hier eigentlich mache. Nicht um Geschwindigkeitsrekorde zu brechen. Ich bin zwar stolz, wenn ich 160km am Tag fahre, aber die viel bunteren und volleren Geschichten sind die, die ich am Wegesrand finde, wenn ich anhalte. Ich möchte dem folgen, was sich gerade ergibt, statt dem, was ich glaube, tun zu müssen oder sollen. Also biege ich ab und mache mich auf den Weg zu diesem Schlafplatz.

Wie vier Liter pures Glück fühlt sich das kalte Wasser an, dass ich mir über den Körper schütte. Hier gibt es keine Duschen. Ich fülle meinen Wassersack und stelle mich nackt in die Abendsonne, lasse das Wasser Dreck und Schweiß des Tages herunterspülen.

Es gibt in Dänemark Shelter, kleine Hütten, die man auf einer Karte finden kann und in denen man kostenlos oder für einen ganz kleinen Beitrag übernachten kann. Manche sind wirklich nur eine kleine Holzhütte, andere haben Toiletten oder sogar Duschen. Ich bin davon ausgegangen, dass diese Erfahrung einsamer wird als meine letzten Tage in Deutschland. Ich bin fast dankbar dafür, dass Wildcampen in Deutschland verboten ist und ich gezwungen werde, mit Menschen zu interagieren, wenn ich nicht bereit bin 20 € für einen Campingplatz zu zahlen.

Einsam war mein Abend auf jeden Fall nicht. Ich war ein bisschen neugierig auf die beiden Damen, an deren Lagerplatz ich vorbeigekommen bin. Und so wandere ich bei meinem Streifzug über den Lagerplatz dann mehr oder weniger zufällig bei Ihnen vorbei. Ich wünsche ihnne einen guten Appetit. Sie laden mich ein, sich zu sich zu setzen. Ich kriege Steak, Kartoffeln und Rotwein gereicht.

Ihre beiden Pferde weichen sich nicht von der Seite. Wenn eines sich bewegt, kommt das andere direkt hinterher. So ähnlich scheinen auch die beiden Frauen durch das Leben zu gehen. Mit sieben haben sie sich kennen gelernt, sind jetzt 63. Geheiratet, Kinder gekriegt, aber sie sind mit oder ohne Kinder fast jedes Jahr zusammen weggefahren. Häufig zu den Shelters. Sie erzählen mir, wie sie mal mit den Pferden in einen Hagelsturm gekommen sind. Zitternd und mit den Zähnen klappernd sind sie dann über ein Schloss gestolpert. Dort wurden sie und ihre Pferde für die Nacht aufgenommen.

Hier am Zeltplatz haben sie sich richtig häuslich eingerichtet. Ein Tischdecke gibt es. Blumen von zu Hause. Auch die Kartoffeln sind selbst angebaut. Die beiden sind Bäuerinnen (gewesen). Beide tragen immer wieder ein wunderschönes Grinsen im Gesicht. Zum Frühstück wurde ich auch eingeladen. Ich wurde sogar gefragt, wie ich mein Ei gekocht mag.

Vorher hatte dieser Tag wenig Außergewöhnliches. Ich bin gefahren, habe mir Essen gekauft und weitergefahren und habe wieder gegessen. Die Hitze hat mir zugesetzt. Angeblich hatte es nur 22°, auf dem Asphalt bin ich trotzdem an meine Grenzen gekommen. Oma hat schon recht, wenn sie meint, dass man unsere Temperaturempfinden mischen müsste um einen halbwegs normalen Menschen kriegen würde. Für sie wäre das die erste Temperatur, bei der sie sich vielleicht aus dem Wollpulli raus traut.

Ich höre den Kuckuck in der Ferne. Bin gerade noch in der Maus begegnet, und der Himmel färbt sich langsam rot. Die Sonne ist hinter dem Hügel verschwunden. Ich hab meine Pflichten am Lager heute ein wenig vernachlässigt. Die Wäsche ist noch nicht gemacht, noch nichts eingerichtet. Trotzdem bin ich ganz ruhig.