Der Rahmen meines Fahrrads gräbt sich in meine Schulter. Es rutscht ein wenig. Ich spanne alles an, um es und mich stabil zu halten. Meine Beine zittern. Mein Herz rast. Schätzungsweise 20 Höhenmeter habe ich schon, 10 fehlen mir noch. Umkehren kann ich nicht. Wenn ich mich und das Fahrrad nicht unter Kontrolle halte, fallen wir. Die meisten Taschen sind ab, mindestens 15 kg wiegt mein Fahrrad aber sicherlich trotzdem.

Ich habe die Holzstiege unterschätzt, die vom Strand hoch auf die Düne führt. Ich stehe unten, sehe, dass die Route dort hochführt, wundere mich, suche eine Alternative, sehe keine. Ich mache mich bereit. Taschen runter, zur Seite legen. Fahrrad auf die Schulter, ein Schritt nach dem anderen auf die schmalen Holzbretter.

Oben sitzen zwei Damen, ganz beeindruckt, als ich mit meinem Fahrrad oben ankomme. Ich atme kurz durch, steige wieder runter und hole die Taschen. Erst als ich wieder oben stehe und durchatme, merke ich, wie unnötig diese Gefahr war, wie bescheuert die Routenführung.

Die beiden Damen sind der Meinung, ich habe des Tages Arbeit getan. Sie laden mich ein, bei ihnen meine Flaschen aufzufüllen. Ich wandere mit ihnen zum ehemaligen Ferienhaus, jetzt, in Pension, Hauptwohnsitz. Die beiden waren Lehrerinnen gewesen und verbringen die Rente mit Malen und Sticken. Ich bekomme noch frische Waffeln. Die sind besonders willkommen, weil ich schon Stunden vorher auf einen schattigen Platz für mein Mittagessen gewartet hatte, dann aber in der erbarmungslosen Sonne am Strand gefahren bin.

Mein Navi und meine Göteborg-Pläne sind leider nicht der Meinung, dass ich die Arbeit für den Tag schon erledigt habe. 80 km noch, es ist schon 17 Uhr. Also radle ich. Als der Weg mich wieder über den Strand schicken will, weigere ich mich. Die Erinnerung an die Treppe ist noch zu frisch. Und auch ein kleines Stück weiter, zurück auf dem European Divide Trail, als der Weg ganz schmal und nicht fahrbar Richtung Strand führt, kehre ich um. Ich weiche dann für den Rest meiner Fahrt vom geplanten Trail ab. Ein Unwetter in der Ferne erhöht die Dringlichkeit, mein Shelter für die Nacht zu erreichen.

Es fällt mir schwer, mich von dem Trail zu verabschieden. Mich von der Idee zu verabschieden, diesen ganzen Weg zu fahren, das Projekt zu vervollständigen. Wieder kommt die Frage auf, warum ich diese Tour mache. Weil es mich glücklich macht? Glücklich war ich in Portugal gewesen, bei einer ähnlichen Tour. Aber was daran macht mich glücklich? Wie wäge ich Komfort und Sicherheit gegen Herausforderung und Abenteuer? Und wo stehe ich meinem Glück im Weg, mit Ideen darüber, wie viele Kilometer ich machen „sollte“, mit wie viel Verzicht ich klarkomme, wie tough ich sein will? Martinas Frage danach, was Glück für mich ist, fährt wohl weiter mit mir mit.