Die letzten Wochen waren einsam. Trotz der vielen wunderbaren Begegnungen mit Menschen. Es ermüdet mich, jeden Tag so viele Entscheidungen alleine zu treffen, alleine verantwortlich zu sein für meine Sicherheit, mein Essen, meine Freude.
Ich gehe davon aus, dass der Norden Schwedens noch einsamer ist, hunderte Kilometer nichts als Wald. Die Idee, dem European Divide Trail in diese Einsamkeit zu folgen, reizt mich gerade wenig.
Mit einer etwas diffuseren Variante dieser Gedanken starte ich in den Tag. Ein wenig lustlos darauf, weiter zu radeln, mich dafür bereit zu machen.
Auf dem Weg, mein Fahrrad zu bepacken, begegne ich Manni an der Rezeption des Hostels. Er ist Franke und mit dem Motorrad am Nordkap gewesen. Wir tauschen Pläne und Erfahrungen aus. Wir entscheiden, den Tag gemeinsam durch Göteborg zu ziehen. Ich habe noch ein paar Einkäufe zu erledigen und brauche Zeit, meine Gedanken zu ordnen. Ich erzähle ihm, dass ich nicht sicher bin, ob ich weiter auf dem European Divide Trail bleiben möchte. Was für ihn auf dem Motorrad tagelang nichts als Wald war, wären für mich auf dem Fahrrad Wochen mit nichts anderem. Nach seinen Fotos und Erzählungen habe ich große Lust, nach Norwegen zu fahren. Ich erwarte auch, dass der Eurovelo 1, der die norwegische Küste entlang führt, etwas belebter ist. Was mich ursprünglich davon abgeschreckt hatte, zieht mich jetzt an.
Manni und ich spazieren weiter durch Göteborg, ich kaufe Mückenzeug, wir essen Bao Buns. In meinem Kopf entwickelt sich der Entschluss, den EDT zu verlassen und Richtung Norwegen abzubiegen.
Um sechzehn Uhr fahre ich los, aus Göteborg raus. Noch befinde ich mich auf dem EDT – in den Norden muss ich sowieso, auch auf dem Weg nach Norwegen. Beim Baumarkt kaufe ich noch eine Warnweste, Schrauben, Sekundenkleber.
Ich steuere das erste Shelter hinter Göteborg an. Mein leiser Verdacht bewahrheitet sich: Genau hier waren wir vor 5 Jahren mit den Pfadfindern gewesen. Mittlerweile steht ein neues Shelter, wir hatten uns in das alte zu vierzehnt gezwängt, als es geschüttet hat (es wäre vielleicht für sechs Personen noch machbar gewesen). Wie Sardinen in der Dose, niemand konnte sich noch umdrehen. Diesmal ist das Shelter voll (angeblich, die sind nur zu dritt ;)), aber ich finde einen Zeltplatz 100m weiter. Ich bugsiere mein Fahrrad über den Wanderweg, komme dabei mit den Belgiern ins Gespräch, die neben dem Shelter zelten. Ich lade sie ein, mich später zu besuchen.
Zum ersten Mal stelle ich mein Zelt vollständig auf. Und ich mache zum ersten Mal ein Feuer. Vlada und Nick gesellen sich zu mir, sie bringen Blaubeeren mit, wir machen Zimtschnecken dazu über dem Feuer warm. Ein entspannter Abend.