Morgens verlasse ich mein Zelt nur, wenn es unbedingt nötig wird. Ich höre die Regentropfen auf mein Zelt prasseln und gestalte meinen Morgen, soweit es geht, drinnen. Ich koche meinen Porridge (mit maximalem Abstand zu den hitzeempfindlichen Zeltwänden), schreibe noch ein wenig Blogeinträge nach und fange umständlich an, meine Taschen zu packen. Irgendwann höre ich Nick, der durch den See zu mir geschwommen ist und mir zuruft, ich solle doch zu ihnen kommen.
Als ich mich endlich nach draußen wage, stelle ich fest, dass der Regen gar nicht so schlimm ist, wie ich mir das ausgemalt hatte. Es nieselt, und unter dem Baum, bei dem mein Fahrrad steht, ist es weitestgehend trocken. Ich packe mein Fahrrad „schnell“ (es kostet mich sicher eine halbe Stunde) und geselle mich noch kurz zu Vlada und Nick, bevor ich mein Fahrrad über den Wanderweg zurück zur Straße hieve.
Ich halte schon früh an, weil ich ein Shelter an einem See entdecke und noch Blogeinträge nachtragen möchte. Die Fahrt war relativ einfach über Gravel gegangen, aber ich bin langsam unterwegs.
Nach dem Abendessen verkrieche ich mich vor dem Regen im Zelt. Ich schreibe, lese und trinke Tee. Ich lese jetzt das einzige Buch, das auf meinem neuen E-Reader schon vorinstalliert war: Pride and Prejudice. Ich behalte mir mein Urteil für später, aber ich muss leider zugeben, dass ich nicht bereit bin, es wegzulegen.
Ich höre ein Fahrrad auftauchen und stecke den Kopf aus dem Zelt. Voll bepacktes Rad, das gleiche Modell wie meines, badischer Akzent; der Bart und die Sonnenbräune sprechen von ein paar Wochen Tour. Daniel ist den European Divide Trail aus dem Norden gestartet und gesellt sich samt Zelt zu mir. Wir tauschen aus, wie wir die unterschiedlichen Herausforderungen unterwegs lösen (er erzählt, wie man im hohen Norden beim Outdoorgeschäft nicht sofort von Mücken aufgefressen wird), was uns an unserem jeweiligen Setup gefällt und was nicht. Er erzählt mir von seiner bisherigen Route, und seine Beschreibung von tagelangem Nichts (als Wald) bestätigt mich in meiner Entscheidung, den Trail zu verlassen.
Erfolglos versuchen wir, ein Feuer am Leben zu halten. Nach einer Stunde, in der wir immer wieder Reisig dazugeben, um das nasse Holz endlich anzufachen, geben wir auf.
Es war eine Freude, mich heute Abend mit jemandem austauschen zu können, der im gleichen Boot steckt wie ich und gerade ähnliche Herausforderungen bewältigt. Ich bin dankbar, dass Daniel sich zu mir gesellt hat.