Der Tag heute war ein einziger Genuss. Ich hatte mich nur bedingt auf den Tag gefreut, weil viel Regen vorhergesagt gewesen war. Die bedrohlichen Wolken am Vormittag haben meine Hoffnung auch nicht geweckt. Letztendlich sind aber die meisten an mir vorbeigezogen, nur mein Zelt ist nachts nass geworden. Es hat dann nur ein paar Mal kurz geregnet und ich hatte nachmittags sogar ganz viel wunderbar warme Sonne. Ich habe mir heute richtig Zeit genommen, an vielen Stellen auf die besten Arten getrödelt, angefangen mit langem ausschlafen.

Ich wusste von vor vier Wochen, dass es an diesem Stück Weg ganz viele Walderbeeren gegeben hatte. Aber würden die noch da sein oder schon überreif vertrocknet und verschimmelt sein? Das erste Stück Weg gestern hatte auf jeden Fall schon deutlich weniger Beeren. Nicht das Stück heute. Händeweise habe ich mich an den Walderdbeeren bedient - und sie waren an der perfekten Seite der Grenze zwischen überreif und hinüber. Süß, leicht sauer und teilweise erstaunlich groß. Ein paar wollte ich mir für später aufheben und habe in Mangel eines anderen Gefäßes den Teil meiner Erdnussbutter, den ich schon gegessen hatte durch Erdbeeren ersetzt. Die Kombination aus Erdbeeren und Erdnussbutter, die daraus entstanden ist, habe ich dann ein paar Stunden später genossen.

Ich wusste von meinen bisherigen Erkundungen, dass ich auf der Strecke kaum Internet haben würde. Deswegen habe ich an dem Eck Pause gemacht, an dem die Wahrscheinlichkeit auf stabile Verbindung am höchsten sein würde. Zwei Balken 5G, das ist mehr als genug, um Oma und Opa anzurufen. Ich habe Spaß daran, Oma mit meinen Outdoorkochgewohnheiten zu schockieren: alles direkt aus dem Topf essen und trinken, und diesen zwischendurch nur auskratzen und ab und zu ausspülen. Einen Spülschwamm habe ich keinen dabei. Während ich Oma und Opa erzähle, kommt die Sonne zum ersten Mal richtig raus. Ich genieße ein langsames Mittagessen in der Sonne, telefoniere noch lange mit Oma und Opa. Ich erzähle von den Walderdbeeren über die ich mitten im hohen Gras gestolpert bin, auf dem Weg zu dem Stein, der mir als Mittagstisch dient. Als ich eigentlich bereit bin weiterzufahren, entscheide ich noch „kurz“ Tobias anzurufen. Ich vermisse ihn, und als ich ihn so zumindest am Telefon ein Stück mitnehme, fühle ich mich noch ein Stück mehr unterwegs zuhause. Ich nehme ihn fast die nächsten 300 Höhenmeter mit (zwischendurch gebe ich das Reden ab, weil es zu steil wird) bis dann die Verbindung weg bricht.

In Abwesenheit von Menschen ist mir die Landschaft nach dem Mittagessen beste Gesellschaft. Ich hatte meine Strecke auf Jon‘s (der Motorradfahrer, der mich zu Kaffee eingeladen hatte) Empfehlung geändert: er hat mir das Vassfaret Naturreservat empfohlen - es soll besonders schön sein. „Wie in Kanada“ hat er gesagt. Das kann ich nicht beurteilen, aber ich genieße die Landschaft auf jeden Fall sehr. Viele Flüsse, Seen, schöne Pfade und alles zunehmend mehr in freundliches Abendlicht getaucht.

Möglicherweise weniger genüsslich waren ein paar Kilometer Fahrrad schieben und über Steine, Stöcke und co. heben kurz vor Schluss. Das war richtig anstrengend, vor allem als es steil bergauf ging. Ich bin aber verrückt genug, dass das zur Freude über den Tag hinzufügt - dadurch komme ich wunderbar erschöpft an. Außerdem ist es schön, zu merken, dass ich mich wieder fit fühle. Ich hatte zwar eigentlich versucht es auch heute noch langsam angehen zu lassen, aber meine Strecke hatte andere Pläne. Nicht zu vergessen: wer schieben muss kann leichter Blaubeeren pflücken.

Angekommen bin ich dann an der wunderschönen Hütte Fønhuskoia an der ich auch vor drei Wochen schon gewesen war. Architektonisch schön und malerisch gelegen über einem See. Bei Sonne noch schöner als beim Regen vom letzten Mal. Ich genieße mein Bad im See enorm; das Wasser hier ist noch viel klarer und kälter als das von gestern Abend. Zu Abend, während ich diese Zeilen schreibe, gibt es dann das gleiche Couscous Sojabolognese Karotten Gemisch wie gestern, diesmal noch mit Sauerkraut dazu. Bei meinem Bärenhunger schmeckt das besonders gut.

An bärigen beerigen Tagen wie diesem stelle ich mir nicht die Frage, wieso ich diese Reise mache.