Sechs Stunden verbringe ich heute damit. Eigentlich ein wenig versehentlich.
Morgens habe ich noch keine Verbindung. An Fønhuskoia gibt es keine, ich genieße die Ruhe. Ich schreibe viel und genieße die Sonne. Tagsüber kann man den Außenbereich der Hütte auch nutzen, da halten sich die Mücken endlich fern. Ich bin langsam heute Morgen, und an der Hütte aufzubrechen kostet mich viel Zeit: es hat auch Vorteile im Zelt nur einen Topf zu haben den ich dreckig machen kann - hier komme ich auf je vier Töpfe und Teller plus mehrere Tassen die alle abgespült werden müssen. Der Nachteil daran, dass ich die ganze Hütte für mich alleine habe ist, dass ich sie auch alleine putzen muss. Bei der Kombination aus Genuss und Putzen breche ich um 14 Uhr erst auf.
Als ich Verbindung habe, rufe ich David an. David hat wie ich Biologie studiert und hatte sehr ähnliche Interessen wie ich. Sein Name war mir während des Coronastudiums in vielen Zoommeetings aufgefallen, zum Beispiel Mastervorlesungen zu Neurowissenschaften und als Mathetutor. Ich habe ihn dann irgendwann angeschrieben und wir haben uns, zunächst über Zoom, angefreundet und zusammen gelernt. Er schließt gerade seinen Master in AI ab. Er hat ähnlich große Ambitionen wie ich, ist aber selbstbewusster in ihnen. Wir verzweifeln und scheitern häufig an ähnlichen Dingen - zumindest als ich noch in meinem bisherigen Leben als Neurowissenschaftlerin steckte. Wir haben eine Zeit lang jede Woche telefoniert, uns gegenseitig in unserer Arbeit unterstützt, jetzt haben wir uns schon seit Beginn meiner Reise nicht mehr gehört. Also telefoniere ich drei Stunden lang mit David. Als wir uns zuletzt trafen, war noch völlig unklar wie mein Leben weitergeht nach dem Abbruch der Doktorarbeit. Es ist schön, wie er sich jetzt daran freut, wie ich meinen weiteren Weg finde. Auch er findet zu meiner Freude seinen Weg, wenn auch gerade auf ganz andere Art.
Ich komme an meinem Schlafplatz in Ål an, an dem ich schon einmal übernachtet habe. Ich wasche mich im Fluss und esse Reste. Dann klopfe ich bei Ingrid an, die mir bei meinem letzten Besuch ein Bier und wunderbare Gesellschaft mitgebracht hatte. Sie ist diesmal leider nicht zuhause.
Zurück an meinem Schlafplatz habe ich diesmal mit noch mehr Mücken als das letzte Mal zu kämpfen. Vollverschleiert baue ich mein Zelt auf und mache mir noch Ramennudeln. Währenddessen telefoniere ich mit meinen Eltern, die schon ein paar Tage nichts von mir gehört haben.
Meine Oma weist mich immer wieder gerne darauf hin, dass dieses lange internationale Telefonieren ja wirklich erst für unsere Generation möglich und selbstverständlich ist. Sie erzählt mir gerne von den Telefonrechnungen, die meine Tante mit Gesprächen nach Frankreich erarbeitet hat. Ich bin sehr dankbar dafür, dass das jetzt so einfach und kostenlos möglich ist. Nur manchmal bin ich doch froh, wenn ich, zum Beispiel weil ich keine Verbindung habe, gezwungen werde, mich nicht woandershin zu telefonieren. Aber vor allem kann ich mir immer wieder ein Stück zuhause und Gemeinschaft auf meine Fahrt mitnehmen.
Dieses Gefühl suche ich auch noch ganz „kurz“, als ich Tobias abends noch anrufe. Eigentlich möchte ich ihm nur eine gute Nacht wünschen. Zwei Stunden später schlafen wir fast zusammen ein. Ich schaffe es dann gerade noch, mein Handy am Akku anzuschließen, bevor ich wegdämmere.