Ich wache nach viel zu wenig Schlaf sehr früh, gegen 4:30 Uhr auf. Der Wind, oder viel mehr meine Sorge darum, hat mich schlecht schlafen lassen. Zumindest hat er mein Zelt trocken geblasen. Es soll ab 8 Uhr regnen und ich gebe die Hoffnung auf weiteren Schlaf auf, um mein Zelt trocken einpacken zu können. Zumindest ist es schon hell.

Die Strecke des Rallarvegen von hier ist genau das Fahren, was ich mir wünsche. Eine schöne und spannende Berglandschaft, und ziemlich anspruchsvolle, aber noch gut fahrbare Forstwege. Ich staune über die Gletscher in der Ferne, die Grüntöne der Moose und die Blautöne, die die Gewässer annehmen. Ich freue mich an den Schneefeldern, die auch im August noch am Weg liegen. Es geht viel bergab, von gebirgigen 1300hm runter auf Meereshöhe im Fjord. Langsam wird der Weg weniger wild, langsam umgeben mich mehr Menschen.

In Flåm, dem Dorf am Fjord, bin ich erst einmal von den Menschenmassen überwältigt. Ich höre alle europäischen Sprachen außer Norwegisch. Hinter den Massen entdecke ich dann aber auch die schönen Fjorde. Die Bergwände, die über dem Wasser türmen, beeindrucken mich schon sehr. Ich schlage mich durch die Menschenmassen zu einer Bank durch und koche Mittagessen.

Mit der Frage, wie ich von hier weiterfahre, beginnt für mich fast ein neuer Tag. Plötzlich ist alle Energie raus und mein Schlafmangel der letzten Nacht überwältigt mich. Es gibt keine einfachen, offensichtlichen Optionen um von hier weiterzufahren. Alle Wege scheinen über einige Bundesstraßen, viele Höhenmeter und teils Tunnel zu führen. Wohl der Nachteil der Fjordlandschaft.

Ich entscheide mich, Rallarvegen als einen Abstecher zu sehen, den Bus zurück zu einer Stelle zu nehmen, an der ich schon einmal war. Zumindest kann ich damit 25 km Tunnel überbrücken, die sich sonst nur mit 1400 hm Bergfahrt umfahren lassen. Dafür ist heute die Energie nicht mehr da.

Wie schon befürchtet nimmt mich der zweite Bus mit Fahrrad nicht mit. Durch den Tunnel komme ich, ins Tal muss ich selber zurückfahren. Die Aussicht auf 80km, 1800 hm hauptsächlich Bundesstraßen nimmt mir meine Lust aufs weiterfahren. Ich versuche kurz per Anhalter weiterzukommen, aber das ist vielleicht ein bisschen viel verlangt mit meinem Fahrrad und Gepäck.

Weiter geht es also, mit geringer Motivation, ins Tal hinein. Ich fahre noch so weit wie nötig und lege mich auf die erste Wiese hinterm Dorf. Als meine Eltern mit Hinblick auf Gewittervorhersagen meine Schlafplatzwahl kritisieren und mich dazu bewegen wollen noch weiter zu fahren ist in mir nur noch Frust und Erschöpfung.

Ein Nickerchen hilft mir wieder einen klaren Kopf zu fassen. Es hilft auch, dass danach die Wettervorhersage keine Gewitter mehr im Angebot hat. Ein Telefonat mit Tobias hilft mir meine Gefühle einzuordnen, und wieder mehr bei mir selbst anzukommen. Trotzdem bleibt die Frage, ob ich diese Reise, ständig der Welt, dem Wetter, den Autos ausgeliefert sein, noch will? Es stört mich, dass ich so einfach aus dem Konzept zu bringen bin. Oder ist das nur eine Folge der Übermüdung?

Ein Tag mit morgendlicher Fahrradeuphorie und nachmittäglicher Niedergeschlagenheit fühlt sich an als wären zwei Tage vergangen. Dementsprechend erschöpft kuschle ich mich jetzt auch in den Schlafsack.